Solo-Selbständige müssen mehr arbeiten - oft auch sonntags


Wachsende soziale Ungleichheit gefährdet freien Sonntag

Frühjahrs-Vollversammlung der Allianz für den freien Sonntag Österreich –
Chronobiologe Moser: Soziale Woche mit sieben Tagen so wichtig wie Tagesrhythmus.

Die Frühjahrsvollversammlung der Allianz für den freien Sonntag Österreich am 5.4.2016 befasste sich schwerpunktmäßig mit Entwicklungen in den Bereichen „Crowd Work“ und Chronobiologie. „Die rasant anwachsende soziale Ungleichheit gefährdet auch den freien Sonntag“, sagte Doris Lutz im Rahmen ihres Referates (Arbeiterkammer Wien, Abt Sozialpolitik). „Das Vermögen der reichsten 62 Personen auf der Welt – und damit leistungslose Einkommen - sind in nur fünf Jahren um 44% gewachsen“, erinnert Lutz an die jüngst erschienene Oxfam-Studie1 „Was nach ganz oben gegeben wird, wird unten genommen: von den Erwerbseinkommen, von der sozialen Sicherheit und von der freien Zeit.“

Lutz: „Die Auswirkungen dieser dramatischen Entwicklung spüren sowohl ArbeitnehmerInnen als auch UnternehmerInnen. Ein Blick auf Solo-Selbstständige (allein tätige Selbstständige) in Deutschland2 zeigt: Ein Drittel hat lediglich ein Einkommen, das dem von ArbeitnehmerInnen im Niedriglohnsektor entspricht. In Österreich3 sind 13,8% armutsgefährdet (versus 7,8% der ArbeitnehmerInnen). Solo-Selbstständige arbeiten durchschnittlich 48,6h pro Woche. Dass das nicht ohne Sonntagsarbeit geht, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Entsprechende EU-Pläne, Solo-Selbständigkeit im großen Stil zu forcieren, verfolgen wir daher kritisch“.

„Das Phänomen `Crowd Work´, was bedeutet, dass Tätigkeiten in kleine Aufgaben zerteilt und über Plattformen ausgeschrieben werden, zeigt, dass Arbeit massiv bedroht ist“, so der Sprecher der Allianz für den freien Sonntag Österreich Franz Georg Brantner. „Wir fühlen uns an das 19. Jahrhundert erinnert, als Arbeit gänzlich ungeschützt und freie Zeit ein unerreichbarer Luxus derjenigen war, die über Kapital verfügten.“

Der Grazer Chronobiologe Maximilian Moser (Universität Graz) erinnerte bei der Vollversammlung der Allianz für den freien Sonntag Österreich daran, dass der Tagesrhythmus des Menschen bereits gut erforscht sei. So wisse man, dass Schichtarbeit eine „circadiane Störung“ sei, die das Krebsrisiko erhöht. 2009 mussten in Dänemark bereits die ersten Kompensationszahlungen an Frauen, die Nachtschicht verrichtet hatten und an Brustkrebs erkrankt waren, gezahlt werden.

Entsprechende Erkenntnisse betreffend den Wochenrhythmus stehen laut Moser noch aus. Die „soziale Woche mit sieben Tagen“ diene aber der „Wiederfindung des Organismus“, so Moser. Sie mache „absolut Sinn“ und sei „genauso wichtig wie der Tagesrhythmus“. Moser an die Allianz für den freien Sonntag Österreich: „Ihr Engagement ist für die Gesundheit des Menschen von größter Bedeutung“.

Bei der diesjährigen Frühjahrs-Vollversammlung wurde die „Fraktion Christlicher GewerkschafterInnen in der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier“ als neues Mitglied aufgenommen. Für 14. April 2016 wurde in Innsbruck die Gründung einer weiteren Bundesländerallianz, der Allianz für den freien Sonntag Tirol – angekündigt. Erst im Vorjahr war die Allianz für den freien Sonntag Salzburg gegründet worden.

Die Allianz für den freien Sonntag Österreich setzt sich für gemeinsame freie Zeiten und damit für mehr Zeitwohlstand und Lebensqualität in der Gesellschaft ein. Dem breiten Bündnis gehören über 50 Organisationen an: aus dem Kinder- und Jugendbereich, zivilgesellschaftliche Vereine und Freiwilligenorganisationen, Kirchen und Gewerkschaften.



1https://www.oxfam.de/system/files/20160118-wirtschaftssystem-superreiche.pdf Zugriff am 5.4.2016

2https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.415654.de/13-7.pdf Zugriff am 5.4.2016

3https://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/1/2/9/CH3434/CMS1453735536682/focus_1_epu-grundlagenforschung_endbericht_final.pdf Zugriff am 5.4.2016